Hallo EIB-ler,
habe in den VDI Nachrichten einen Artikel gefunden, der interessant für alle sein dürfte.
Unter dem Motto:
"Kein Verbraucher wünscht sich das Allumfassende IQ- Haus"
"Bis heute gibt es in Deutschland nicht einmal 1000 funktionstüchtige Bus-Steuerungen, die über einen Regelumfang von fünf Stromverbrauchern hinausgehen"
Viele Spass beim lesen
MfG Frank Hujer
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Nicht alles, was machbar ist, wird auch gebraucht
Mensch und Technik: Verhängnisvoller Glaube am alten Traum von der Heinzelmännchenwelt – Den eigenständig ordernden Kühlschrank will keiner haben – Hightech-Entwicklungen am Menschen vorbei
VDI nachrichten, 10.1.2003
Die Quadrophonie, das Bildtelefon, die blitzgescheite Tür und der omnipotente Fernseher haben nach dem Urteil eines erfahrenen Beraters einiges gemeinsam: „Sie sind mit einer Menge Vorschusslorbeeren in die Welt gesetzt worden und haben doch kläglich versagt.“ Besonders typisches Beispiel: der denkende Kühlschrank.
Wenn es um technische Aufschneiderei geht, fackelt Dr.?Dirk Berndsen nicht lange. Der Mitarbeiter der MSU Consulting GmbH in Bad Homburg v. d. Höhe: „Eine der fehlgeschlagenen Vision belegt in aller Klarheit die Vita des denkenden Kühlmöbels.“ Dieser intelligente Kühlschrank sei Mitte der 90er Jahre als „Heute schon realisierbare Zukunft“ in die Welt gesetzt worden. „Wichtiger Brennpunkt des futuristischen Alltagslebens zu sein, das hatte man dem Kühlschrank allen Ernstes zugetraut,“ erinnert sich Berndsen. Dabei sind derlei Entwürfe auf dem Reißbrett durchaus beeindruckend. Ausgestattet mit einer Batterie von Sensoren im Inneren, einer kleinen Kamera und einem Mikrofon ist der intelligente Kühlschrank per drahtlosem Bussystem mit der gesamten Hauselektronik vernetzt. Sogar eine Highspeed-Internetanbindung ist geplant.
Schöne neue Welt: Auf einem außen angebrachten LCD-Touchscreen kann der User neue Waren beim Lebensmittelhändler seines Vertrauens ordern. Das Gerät wird auch selbst aktiv und bestellt automatisch frische Lebensmittel, wenn es erkennt, dass etwas abgelaufen ist. Der Kühlschrank unterbreitet Rezeptvorschläge, wobei er die eingelagerten Vorräte in die Überlegungen einbezieht. Damit noch lange nicht genug. Der Kühlschrank steuert die Hauselektronik, hinterlässt Video-Nachrichten, hilft beim Surfen im Internet und der Erledigung von Bankgeschäften. Schließlich können über Ferneinwahl mit einem UMTS-Handy alle diese Funktionen auch von unterwegs gesteuert werden.
Da ist er wieder, der alte Traum von der Heinzelmännchenwelt. Diesmal realisiert mit allerlei „Smart appliances“, etwa Waschmaschinen, Kaffeemaschinen und Toaster. Die Haushalte gewinnen Zeit und Sicherheit, haben nie mehr verdorbene Lebensmittel oder Lücken im Bestand. Es gibt kein ungewollt angestelltes Hausgerät mehr. Der Verbraucher gewinnt eine neue Lebensqualität. Denn während des automatisch zubereiteten Frühstücks werden vom Kühlschrank noch rasch die wichtigsten Börsenkurse abgerufen.
„Doch die Realität sieht anders aus,“ weiß Berndsen. Bis heute sei noch kein einziger intelligenter Kühlschrank über den Ladentisch gegangen, und gerade einmal drei Gerätetypen reiften langsam zur Marktfähigkeit heran. Ähnlich sehe es mit dem Multimedia-Fernseher aus, der Ende der neunziger Jahre als „bahnbrechende Innovation“ gefeiert worden sei, wobei nahezu jeder Hersteller eine ganzes Programm internet-fähiger Fernseher feilgeboten habe. Bei der Gesamtstückzahl aller MM-TVs, die bislang weltweit an den Mann gebracht wurde, hüllen sich die Anbieter jedoch in Schweigen. Je nach Hersteller dürfte sie – so Berndsen – zwischen einigen Dutzend und wenigen Tausend liegen. Insider munkeln von weltweit noch nicht einmal 10 000 ausgelieferten Geräten und von Promille-Bereichen, selbst in entertainment-verwöhnten Gegenden wie USA, Skandinavien und Deutschland. Und davon handele es sich bei mehr als der Hälfte auch noch um „Show“-Exemplare für den Handel, so Berndsen. Da sei es nur konsequent, dass sich das MM-TV-Sortiment in den kommenden Jahren lediglich auf Nachrüstpakete für den herkömmlichen Fernseher beschränke.
Das Stichwort „Elektronisches Haus“: Bussysteme zur Haussteuerung werden von zahlreichen Herstellern angeboten, und mit der „eHome“ hat sich sogar eine eigene Fachmesse in Berlin etabliert. Seit Beginn der 90er Jahre setzen auch zahlreiche Elektroinstallateure auf die Triebkraft intelligenter Häuser. Zahllose Roadshows und lokale Events wurden von Händlern und Installateuren inszeniert, um dem hochgepriesenen „eHome“ auch wirtschaftlich auf die Sprünge zu helfen. Berndsen kennt die traurige Wahrheit: „Bis heute gibt es in Deutschland nicht einmal 1000 funktionstüchtige Bus-Steuerungen, die über einen Regelumfang von fünf Stromverbrauchern hinausgehen.“ Davon seien wiederum über 300 in „Show“-Häusern unterschiedlichster Anbieter installiert. Beim elektronischen Haus gehe es bis heute fast ausschließlich um Zugangskontrolle und Lichtsteuerung, seltener schon um Klimatisierung.
Das allumfassende IQ-Haus habe sich aber kein Verbraucher ernsthaft gewünscht, weiß Berndsen, wohl aber einzelne Funktionen wie die Abschaltung von Licht und Geräten, wenn er das Haus verlasse. Auch eine angenehme Raumtemperatur vor der Rückkehr ins traute Heim empfänden die Bewohner als Qualitätsgewinn. „Mehr aber auch nicht.“ KLAUS NIEHÖRSTER
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