JINI - Der WindowsCE gesteuerte Wunderhaushalt
JINI - Der WindowsCE gesteuerte Wunderhaushalt
Robert Niessner
xxxxxxxx@gmx.at (18. Dezember 2003 16:04)
(Anm.: eine Satire aus der Amigascene 0x12, die ich anno 1998 mal
geschrieben habe und die zum Thema passt)
Seit dem JAVA Hype ist nur kurze Zeit vergangen, dennoch steht schon
der nächste in den Startlöchern: JINI. Dieses tolle Gebilde soll
demnächst (nach dem Willen der Industrie) den Haushalt
revolutionieren. Sämtliche Geräte und Einrichtungsgegenstände können
dank JINI miteinander kommunizieren. Eine praktische Sache - möchte
man meinen.
Das hört sich dann so an:
Schuhe an Schuhputzzeug
Meldung: Wir sind dreckig - macht sofort den User darauf aufmerksam,
daß wir geputzt werden müssen.
Aktion: die Kinder putzen die Schuhe vom Papa
Seife an Handtuchhalter
Meldung: Alle Bakterien auf den Händen getötet, kuschelweich zum
Abtrocknen machen
Aktion: Handtuch läßt sich hängen
Milch an Kühlschrank
Meldung: Schwerer Ausnahmefehler: Bin abgelaufen - Signal an User
Aktion: Sirene am Kühlschrank heult auf
Hemd an Bügeleisen
Meldung: Knitterfaktor 0.7 überschritten - Aufheizen
Aktion: Bügeleisen läuft die ganze Nacht über, weil niemand Zeit zum
Bügeln hat
Spülbecken an Waschmaschine
Meldung: Ähhh, Du kannst das Pumpen abstellen, Abfluß ist verstopft
Aktion: User kann den Boden aufwischen
Apropos Waschmaschine, schaun wir doch einmal, was die dann alles so
an Fehlermeldungen liefern kann, schließlich läuft hier JINI unter
WindowsCE:
"Ein schwerer Ausnahmefehler ist aufgetreten! Beenden Sie alle
Waschvorgänge und starten Sie die Waschmaschine neu."
"Dieses Waschmittel ist mit Ihrer Waschmaschine nicht kompatibel,
bitte entfernen Sie das Mittel aus der Laufwerksöffnung und
wiederbefüllen es mit Waschmittel der Firma Microsoft."
"Bevor Sie diese Waschmaschine in Betrieb nehmen, lesen Sie bitte die
Lizenzvereinbarung durch. Sollten Sie dieser nicht zustimmen können,
geben Sie bitte die Waschmaschine originalverpackt an Ihren Microsoft
Stützpunkt Händler zurück."
"Nicht genug Platz in der Trommel, um die Waschmaschine zu öffnen.
Bitte entfernen Sie ein oder mehrere Kleidungsstücke aus der Trommel
um die Waschmaschine öffnen zu können."
"Der Waschvorgang konnte nicht gestartet werden. Bitte öffnen Sie die
Waschmaschine und entfernen die inkompatiblen Kleidungsstücke."
"Der Waschvorgang konnte aufgrund Speichermangels nicht beendet
werden. Bitte erhöhen Sie den virtuellen Speicher unter
"Einstellungen/Speicher" oder kaufen Sie einen größeren Wäschekorb."
"Wollen Sie den Waschtag wirklich beenden? Ja / Nein / Neu starten"
"Der Waschtask reagiert nicht mehr. Wollen Sie diesen Gang wirklich
auswerfen? Ja / Nein / Neu starten"
"Dr. Watson: Der Waschvorgang ist abgestürzt. Ein post mortem Abbild
wird unter Wasser/H2O/Abfluß erstellt."
Sehr beruhigend, daß alles hier so wunderbar läuft, nicht wahr?
Desweiteren stellt sich natürlich auch die Frage, wozu soll das
Buttermesser mit der Butter und dem Brot kommunizieren? Damit ich
nicht zuviel Butter streiche? Oder damit die Butter den richtigen
Weichheitsgrad zum Streichen besitzt? Oder damit sich die Industrie
dumm und dämlich an mir verdient? Oder weil Papa Billy so ein netter
Onkel ist?
Das schöne am vernetzten Haushalt sind die Probleme die auf einem
zukommen, die man nicht hätte, hätte man nicht den vernetzten
Haushalt:
Ein Tag im Leben eines (JINI-)Hausmannes:
05:62 Aufgrund eines "Stack Overflows" springt der Wecker zu einer
etwas ungewöhnlichen Zeit an. Heftiges Ausschalten hilft leider
nicht, da der Sleepmode Task abgestürzt ist.
06:15 Ich suche meine Hausschuhe, die der Jini-kompatible Robothund
von Sony versteckt hat
06:45 Die Zeitung ist heute schon wieder nicht da - der Postkasten
hat sie nicht angenommen - Schreibfehler in meiner Adresse.
06:55 Ich versuche vergeblich das Radio einzuschalten - dafür läuft
endlich der Fernseher
07:05 Der Radio läuft, aber irgendwie verstehe ich kein Wort vom
dänischen Sender und ein anderer läßt sich nicht einstellen
07:25 Die Kaffeemaschine liefert den Kaffee heute ausnahmweise ohne
denselben ein kleiner Bug der mit der nächsten Release aber behoben
sein wird
09:45 Seit 2 Stunden versuche ich die Wohung zu verlassen, die
Haustüre meldet immer "Der Besitzer ist momentan nicht anwesend.
Kommen sie später wieder!" Ein Anruf beim Support hilft auch nicht
weiter: "Sind Sie sicher, daß Sie die Haustüre richtig installiert
haben und keine I/O Konflikte aufgetreten sind?" Der einzige I/O
Konflikt besteht darin, daß ich nicht rauskomme...
10:15 Plötzlich steht das Haustor sperrangelweit offen - ich hechte
durch den Türrahmen
11:15 Im Supermarkt sind nur 2 Kassen geöffnet, schnell stelle ich
mich bei der kleineren Schlange an. Als ich bezahlen will, meldet
meine Kreditkarte: "Firmware veraltet, laden Sie ein Update
herunter". Ein Supermarkt-Techniker kommt: "Lesen Sie keine
Nachrichten? Das Update gibt es schon seit über einer Woche!" Hinter
mir fangen sich die Leute an zu beschweren: "Der is sogar z´bled zum
updaten."
12:55 Meine Mikrowelle läßt sich nicht mehr abstellen, seit über
einer Stunde verarbeitet sie die Lasagne zu Kohle, weil der Chip in
der Lasagnepackung falsche Daten liefert. Nie mehr Sonderangebote
kaufen!
13:20 Der Wecker erinnert mich daran Aufzustehen. Vielen Dank auch,
sonst hätte ich fast verschlafen. Ich werfe ihn ins Klo - das
daraufhin eine Anzeige an die Umweltpolizei schickt, weil ich
Sondermüll runterspüle.
14:15 Ich versuche die Wohnung zu lüften, aber die Fenster lassen
sich nicht öffnen JINI meldet: "Server zu 100% ausgelastet oder
abgestürzt - System wird neu gestartet"
15:30 Formel 1 im Fernsehen! Endlich ein Lichtblick.
15:35 Meine neue Nachbarin borgt sich etwas Mehl aus - just in dem
Augenblick schaltet der Fernseher von Formel 1 auf den Pornokanal um.
Meine Nachbarin dreht sich um, ohne mich noch eines Blickes zu
würdigen
15:37 Die Selbstdiagnose des Fernseheres ergibt, daß ich beim Surfen
einen Werbe-Virus aktiviert haben muß, der automatisch für kurze Zeit
zum Adultchannel schaltet.
15:45 Internet Explorer 21.3 ist endlich gestartet, leider ist der
Virus dem Hersteller der Antivirensoftware noch nicht bekannt. Aber
spätestens nächste Woche wird es dann ein kostenpflichtiges Update
geben.
16:00 Ich brauche noch ein Bier! Schon mein viertes, meint der
Kühlschrank und läßt mich einen Alkoholtest machen - zuviel Promille
- es gibt kein weiters Bier. Auf eine philosophische Diskussion über
das Biertrinken läßt er sich trotz genialster Formulierungen nicht
ein - komisch, bei Capt. Jean-Luc Picard klappt sowas immer.
16:15 Jetzt brauche ich einen Kaffee! Die Kaffeemaschine meldet, daß
schon wieder Junkmail von Tschibo gekommen ist.
16:30 Ich höre Internet-Radio, plötzlich meldet die Tiefkültruhe
einen Totalausfall. Offensichtlich vertragen sich die beiden Geräte
nicht gleichzeitig im Netzwerk, aber ich habe gehört, das mit JINI
HouseholdNetwork 4.6 jetzt alles viel einfacher sein wird - nur
leider ist es nicht abwärtskompatibel. Es unterstützt sogar
DirectHousehold-X 12.7, die Multimedia Schnittstelle für den Haushalt
- zumindest alle Funktionen die schon dokumentiert sind.
17:15 Das Telefon klingelt die ganze Zeit, aber wenn ich mich melde,
bekomme ich immer nur Fehlermeldungen.
18:05 Das Telefon läutet noch immer, aber draußen am Balkon, 6 Meter
unterhalb.
18:30 Ein Freund ist vorbeigekommen. Wir unterhalten uns angeregt
durch den Briefschlitz - die Haustüre weiß wieder mal nichts von
meiner Anwesenheit.
19:30 Musik! - Leider läßt sich die Stereoanlage nur auf
Zimmerlaustärke schalten, ab 19:00 Uhr ist laute Musik gesetzlich
verboten.
20:00 Ewige Verdammnis! Ich kann nicht einmal Quake 13 spielen, weil
der Computer meinen Altersnachweis nicht anerkennen will. Selbst das
Solitär wird verweigert.
20:05 Morgen ist auch noch ein Tag. Ich lege mich in mein JINI
inkompatibles Bett.
In einer Wohnung zu leben, wo der Computer selbst das Toilettenpapier
vor dem Abwischen auf die richtige Temperatur wärmt, ob das wirklich
unser Traum sein kann? Die Industrie sagt - ja! Na klar!
Also liebe Leute: kauft Euch das JINI-Kissen, das Euch in den Schlaf
singt. Und die Türe, die je nach Stimmung anders knarrt.
Abschließend bleibt mir nur eines zu sagen: Warum wollen die Menschen
diese Dinge?
Vielleicht weil sie in einem ursprünglich gebliebenem Instinkt die
mystisch angehaucht Personifizierung der Technik im Computer als
Befriedigung des Spieltriebes ansehen?
Oder sind sie einfach nur blöde, primitive Faultiere?
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